Seehaus MS/R

„The undecideable world does not produce paralysis but rather more and more possibilities – a
radical piling up of ways to move and think, sets of freedoms once unthinkable, now viable.“

Neil M. Denari, „Gyroscopic Horizons“
Entwurf/Planung: Karl Heinz Machat, Innsbruck
Techn. Oberbauleitung: Arch. DI. Christian Gritznig, Innsbruck
Tektonik

A. Sichtlinienextreme: Gefälle Gletscher – See. „Bellevue“, Wohnzimmer und Schlafbox als „Aussichtsfallen“, verstärkt durch die jeweiligen Terrassen.


B. Regionale Morphologie: Landschaftsformung durch Faltung/Gletscher: Verwerfen, Versetzen, Aushöhlen, Schieben, Agglomeration. In der Bewegung zum See hin bleiben Eingang und Bibliothek in Position, Schlafbox und Wohnzimmer gleiten weiter, bis schließlich Wohnzimmer und Küche/EG-Bad abreißen, absinken und in einer leichten Drehung der Liegewiese mehr Raum geben. Das Gästezimmer bleibt als Block liegen, nimmt ebenfalls leicht gedreht Bezug auf den „Gastgeber“. Vom seeseitigen Kopf her werden die massiven Sichtbetonscheiben des EG mehr und mehr aufgelöst, zur Strasse bleibt nur mehr eine doppelseitig satinierte Glaswand. Die leichte Holzkonstruktion der Wohnräume ist mit Birkensperrholzplatten verkleidet. Auf Unterkellerung wurde verzichtet.

C. „Unbrauchbarer“ Raum: ‚Space to be conquered‚ (Lebbeus Woods). Die Liegewiese ist großflächig erhalten geblieben. Die Bibliothek umfaßt den ungewidmeten „Wandelgang“: Raumpotential für Feste, für mehr Bücher, als Leerraum.


In the ski slopes and golf courses of Southern California are the geometries of pleasure and frustration, a mixture likely to be matched only in the privacy of the bedroom (1)

Uferlinie

D. Binärzustand: >> Multiplizität. Land – Wasser. In-das-/ aus-dem-Wasser-Steigen, Entscheidungsproblem, Überlagerungszustände. Das Projekt spielt mit dem dialektischen Motiv des Dilemma: an zahlreichen Positionen wird dem Benutzer eine Entscheidung abverlangt. Drinnen bleiben oder nach draussen gehen, nach oben oder unten, den Ausblick genießen oder sich der Umgebung verweigern etc.

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Gleichzeitig werden Mittel angeboten, dies zu unterlaufen und durch Über-lagerungen die Räume zu rekonfigurieren. Fast alle Öffnungen des Gebäu-de sind Türen; Materialien überschreiten Raum- und Geschoßgrenzen; hohe Parapete und Wandteile blenden im Sitzen den Aussenraum aus; Stufen dienen zum Sitzen, Sitzmöbel an Stufen.


The undecideable world does not produce paralysis but rather more and more possibilities – a radical piling up of ways to move and think, sets of freedoms once unthinkable, now viable.(2)


E. Evolutionäres Deja-Vu: Zum/ ins/ aus dem Wasser gehen. Das wohl suggestivste Moment eines Seegrundstücks: sich sofort dem Ufer annähern zu wollen.Das Gehen zum See (und retour) ist daher zentrales Element des Projekts.
Im Gebäude gelangt man zur großzügigen Wohnzimmerterrasse oder in das EG-Bad, in dem sich in der vollen Badewanne der Seespiegel fortsetzt. Aussen, parallel dazu, über den für Gästezimmer und Bibliothek als „Hof“ gedachten Teil der Wiese zur eigentlichen Liegewiese bis zum Bootssteg – vorbei an den Zugängen zu den Serviceräumen Garderobe, Bad und Küche.
Oder durch den abgeschirmten Gartenstreifen an der Rückseite, über die kleine Badterrasse bis zum Bootskran. In die andere Richtung kann der Weg, wenn man will, über die Schlafboxterrasse hinaus bis zur Strassen-fassade führen.


Although buildings occupy ground, perhaps the strategies of their making arise out of the registration of, at a particular place and moment in time, a multiple number of horizontal pathways. As we move across, below, through, and above the horizon lines of fields, cities, and skies, the sediment of experience includes the layers of multiple in-between-movements, not just the beginnings and the ends.(3)


(1),(2),(3) Neil M. Denari, „Gyroscopic Horizons“, Thames & Hudson, 1999